Nachdem wir an den ersten beiden Tagen die Zitadelle von Verdun und das zentrale Schlachtfeld besucht hatten, wollten wir am dritten Tag zunächst noch ein letztes Fort besichtigen und dann mit einem Umweg über den Hügel „Le Mort Homme“ nach Vauquois fahren. Auf dem Rückweg hatten wir vor, über die Voie Sacrée, die Versorgungsstraße nach Verdun, zurückzufahren. Das Fort Vaux, dass wie das Fort Douaumont ebenfalls im zentralen Schlachtfeld liegt, ist zwar etwas kleiner, nichtsdestotrotz aber ebenso wichtig für die Verteidigung Verduns und den Schlachtenverlauf gewesen.
Nachdem es 6 Tage lange nach Beginn der Schlacht um Verdun am 21. Februar 1916 durch Artillerie beschossen worden war, hatte die deutschen Führung es als sturmreif eingeschätzt. Es wurde ein Angriff angesetzt und scheiterte aufgrund der heftigen Verteidigung der Franzosen. Immer und immer wieder wurde versucht, das Fort nach vorangegangenen schweren Artillerieangriffen einzunehmen, immer wieder wurden die Deutschen jedoch zurückgeschlagen. Heute noch zeugen die Landschaft um das Fort herum und das Fort selbst von den heftigen Kämpfen.
Schon Ende März hatten die Angriffe fast 10.000 Deutschen das Leben gekostet. Erst als im Sommer die Wasservorräte der Franzosen knapp wurden, kapitulierte der Kommandant der Festung. Im November wurde es dann wieder von den Deutschen geräumt. Diese Sinnlosigkeit, die so viele Menschenleben für nichts gekostet hat, macht den Besucher bei der Besichtigung fassungslos. Auch hier gab es wieder eine außerordentlich gute audiovisuelle Führung durch die Anlage. Prinzipiell würde ich dazu raten, dass man sich zuerst das Fort Douaumont anschaut und danach weiter zu dem Fort Vaux fährt, da die Führung in Douaumont noch etwas ausführlicher und detailreicher war.
Wenn man nach der Besichtigung auf das Dach von Vaux geht, kann man hier einen zerstörten Panzerturm sehen. Ansatzweise wurde mir hier bewusst, mit welcher Gewalt die Geschosse hier eingeschlagen sind: Das komplette Oberteil des Turms, das aus massivem Stahl bestand, ca. 6 Meter im Durchmesser und 30cm dick, wurde durch Granaten in mehrere Teile zerbrochen und meterweit durch die Luft geschleudert. Das sind Bilder, die für sich sprechen.
Als „Vorbereitung“ für die Fahrt hatte ich verschiedene Berichte und Bücher unter anderem von Ernst Jünger und P. C. Ettighoffer gelesen. In ihnen wird auch der erbitterte Kampf um die Anhöhe „Toter Mann“ (Le Mort Homme) beschrieben. Wenn man von Verdun aus nach Vauquois fährt, kommt man mit einem kleinen Umweg genau an diesem Hügel vorbei. 2017 wurde hier ein knapp zwei Kilometer langer Wanderweg in Zusammenarbeit mit der Konrad Adenauer Stiftung eingeweiht. Es gibt verschiedene Stationen entlang des Weges, bei denen auf Informationstafeln in drei verschiedenen Sprachen der Hintergrund der Schlacht und auch die Bedeutung des Hügels einem näher gebracht wird.
Wenn man hier abseits der Wege geht, muss man – wie auf dem Zentralen Schlachtfeld auch – nicht nur auf Stahlteile im Boden achten, sondern ebenfalls auch auf verschiedene, halb eingestürzte Versorgungstunnel der Deutschen und Franzosen. In ihnen wurde verhältnismäßig sicher Material und Menschen nach vorne an die Front gebracht und Verwundete in die Etappe transportiert, da oberirdisch oft die Wege von der feindlichen Artillerie beschossen wurden.
Nach einer knappen halben Stunde Fahrt durch schönste Landschaft, kommt man dann nach Vauquois. Das Örtchen lag auf einem Hügel und war aufgrund seiner strategischen Bedeutung heftigst umkämpft gewesen. Während die Deutschen von Norden an den Hügel heranmarschierten, kämpften sich die Franzosen von Süden heran. Im Folgenden beschossen sich beide Seiten nicht nur mit der Artillerie, sondern entwickelten eine neue perfide Taktik. Es wurden Tunnel bis zur gegnerischen Front gegraben, in diese wurden dann Tonnen über Tonnen an Sprengstoff gesteckt und dann somit unter der gegnerischen Front in die Luft gejagt.
Das Dorf Vauquois wurde somit nicht einfach nur dem Erdboden gleich gemacht, es wurde der komplette Hügel durch verschiedenste Sprengungen geteilt – teilweise sind die Trichter bis zu 20 Meter tief. Es gibt kleine Führungen durch diese Tunnelanlagen, wenn man aber klaustrophobisch veranlagt ist, dann kann man sich auf der Nordseite des Hügels in den Stellungen der Deutschen zumindest die Eingänge zu den Tunnelanlagen einmal anschauen. Ebenfalls kann man dort durch einige gut erhaltene Grabenabschnitte gehen, selbst bei sonnigem Wetter ist das ein beklemmendes Gefühl. Den Hügel und dessen Zerstörung in diesem Ausmaß zu sehen, gehörte zu den bedrückendsten Eindrücken, die ich dort gesammelt habe.
Auf dem Rückweg sind wir nicht auf dem direkten Weg nach Verdun gefahren, sondern haben einen kleinen Umweg im Süden über die Voie Sacrée gemacht. Dies ist eine Straße, die ungefähr 50 Kilometer von Bar-le-Duc nach Verdun führt und zur wichtigsten Versorgungsstraße für die Schlacht um Verdun wurde. Im Sommer 1916 wurden teilweise wöchentlich bis zu 90.000 Soldaten und Unmengen an Material über diese Straße auf das Schlachtfeld transportiert. Es waren so viele LKWs dafür auf der Voie Sacrée unterwegs, dass diese Stoßstange an Stoßstange fahren mussten.
Dieses logistische Meisterwerk ist mit dafür verantwortlich, dass Verdun so gut verteidigt werden konnte. In einem Rotationsprinzip wurden ausgeruhte Soldaten an die Front und abgelöste Verbände in den Ruheraum hinter die Front gebracht. So verbrachten die französischen Soldaten im Schnitt nur knapp 10 bis 14 Tage auf dem Schlachtfeld, um sich dann wieder in der Etappe ausruhen zu können. Die Deutschen hatten kein vergleichbares System aufgebaut, sodass dass teilweise Regimenter über acht Wochen im Einsatz blieben. Heute erinnern verschiedene Gedenkstätten und extra angefertigte Kilometersteine entlang der Straße an dieses logistische Meisterwerk der Franzosen. Damit waren unsere knapp drei Tage in Verdun vorbei und wir hatten beschlossen, weiter nach Reims zu fahren und dort einen Tag zu verbringen.